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Europäische Utopien

Interdisziplinäre Tagung zu geistesgeschichtlichen Projektionen, Visionen und Idealen (18.-19.01.2019)

Im Rahmen des interdisziplinären Moduls „Kulturelle Grundlagen Europas“, das seit dem Wintersemester 2017/18 Studierenden ermöglicht, einen Schwerpunkt im Fachübergreifenden Wahlpflichtbereich zu setzen, organisierten das Institut für Germanistik und das Institut für Philosophie gemeinsam eine Tagung zum Thema „Europäische Utopien“. Die Veranstaltung richtete sich insbesondere an Nachwuchswissenschaftler*innen und Studierende der Philosophischen Fakultät. Angehörige anderer Fakultäten waren ebenso willkommen. Utopien, Kulturbilder und Idealkonzeptionen innerhalb der europäischen Geistes-, Kultur- und Ideengeschichte wurden während der zwei Tage aus historischer, kulturgeschichtlicher, literaturwissenschaftlicher und philosophischer Perspektive beleuchtet. 

Beiträge aus der Germanistik, Geschichte, Jiddistik, Kunstgeschichte, Romanistik und Philosophie stellten ein facettenreiches Programm zusammen, das die Diversität der Aspekte geistesgeschichtlicher Ideale thematisierte. Ein fachübergreifender Fokus lag hierbei insbesondere auf der Analyse europäischer Utopien aus historischer Perspektive. Die Vorträge spannten dabei einen Bogen von Augustins Surrealismus bis hin zu aktuellen Debatten der Integration und Migration in zeitgenössischen Dystopien der französischsprachigen Literatur. Vor allem das breite Spektrum von Projektionen, Visionen und Idealen in der Literatur des Mittelalters und der Renaissance stand im Zentrum. So wurde u. a. dargelegt, dass sich utopische Denkmodelle, insbesondere idealisierte Liebeskonzepte, bereits in der europäischen Dichtung des Hochmittelalters finden. Eine germanistisch-mediävistische Studie zu Wolframs von Eschenbach Willehalm zeigte, dass selbst in konkurrierenden Glaubensgemeinschaften die Vision einer europäischen Wertegemeinschaft inszeniert werden kann. Zudem wurden Klassiker wie die Utopia von Thomas Morus im Hinblick auf gegenwärtige Diskurse der politischen Philosophie kritisch analysiert. Neuzeitliche Konzepte wurden z. B. anhand des Programms einer gesellschaftspolitischen Utopie im Kontext des Deutschen Idealismus beleuchtet. Fragen nach kultureller Identität widmete sich ein Vortrag der Jiddistik, der das Selbstverständnis der Juden als Europäer und ihre Sehnsucht nach Zugehörigkeit zur Weltkultur reflektierte. Ein Forschungsprojekt aus der Geschichte stellte u. a. anhand der Gründung eines gemeinsamen Post- und Fernmeldevereins heraus, dass die Vision eines geeinten Europas selbst in Zeiten tiefer Gespaltenheit präsent war. Am Beispiel des Felsengartens Sanspareil der Wilhelmine von Bayreuth wurde deutlich, dass geistgeschichtliche Projektionen in Gärten als realisierte Utopien in Erscheinung treten können. 

Die Beiträge und Diskussionen der Tagung zeigten einmal mehr, dass die Thematik „Europäische Utopien“ und damit Fragen nach kultureller Identität sowie Projektionen einer möglichen europäischen Wertegemeinschaft u. a. unter Rekurs auf die Debatten zu Migrationsprozessen und der Zukunft Europas aktueller denn je erscheinen. Nicht zuletzt das breite Interesse seitens der Studierenden trug zu einem anregenden Forschungsdiskurs bei, der auch die Notwendigkeit eines interdisziplinären Austauschs bestärkte. 

Zurzeit wird an der Publikation der Beiträge in Form eines Sammelbandes gearbeitet, der das Programm der Tagung durch weitere Aufsätze von Vertretern unserer Fakultät anreichern wird. Zudem widmeten sich alle Lehrenden des Moduls „Kulturelle Grundlagen Europas“ im Sommersemester 2019 dem Leitthema „Europäische Utopien“.  

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