Lehrveranstaltungen WiSe 2022/23
Dr. Oliver Victor (Philosophie): Die Sehnsucht nach Frieden: Ein anthropologisches Grundmotiv
Do. 14.30-16.00 Uhr, 23.21.U1.48.
Das Streben nach Sinn und Orientierung gehört zu den Grundverlangen des Menschen. Spätestens seit Aristoteles gilt auch das Streben nach Wissen als eine anthropologische Grundkonstante und schon im Wort „Philosophie“ selbst steckt die Liebe zur Weisheit. Neben diesen klassischen Grundverlangen des Menschen scheint ein weiteres Motiv die menschliche Existenz und Lebensweise wesentlich anzuleiten: die Sehnsucht nach Frieden. Dieses Motiv zieht sich mal explizit, mal implizit durch die abendländische Philosophiegeschichte hindurch. Dabei zeigt sich, dass das Thema „Frieden“ nicht nur im Mittelpunkt der politischen Philosophie steht, sondern auch in das Terrain der philosophischen Anthropologie hineinragt, insofern sich das Streben nach Frieden als ein Grundtopos menschlicher Existenz überhaupt herauskristallisiert. So lässt sich etwa fragen, ob dem Menschen von Natur aus ein Streben nach Frieden innewohnt. Diese Frage weist nicht zuletzt auf die grundlegendere Frage nach dem Wesen des Menschen zurück. Welches Menschenbild liegt der Sehnsucht nach Frieden zugrunde? Ist der Mensch dem Menschen Wolf ein (Thomas Hobbes) oder können wir auf ein optimistischeres Menschenbild rekurrieren? Darüber hinaus stellt sich die Frage, ob eine solche Sehnsucht überhaupt gestillt werden kann und was genau unter „Frieden“ überhaupt zu verstehen ist.
Das Seminar möchte anhand der Lektüre einschlägiger Texte aus der Philosophiegeschichte der Sehnsucht nach Frieden als anthropologischem Grundmotiv nachgehen. Ausgehend von Vertretern der Renaissancephilosophie und Friedenskonzepten der Neuzeit soll diese Thematik bis in gegenwärtige Debatten hinein verfolgt werden. Ziel des Seminars ist es somit, einen möglichst breiten philosophiehistorischen Bogen zu spannen und einen einführenden Überblick zu geben. Neben philosophischen Klassikern wie Kant (Zum ewigen Frieden) oder Rousseau werden dabei auch weniger bekannte Autorinnen und Autoren, zum Beispiel Pico della Mirandola oder Simone Weil, zur Sprache kommen.
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Arne Leopold (Kunstgeschichte): Transfer- und Akkulturationsprozesse zwischen Okzident und Orient. Schatzkunst und Bauskulptur zur Zeit der Kreuzzüge
Mi. 14.30-16.00 Uhr, 23.02.U1.81.
In dem Basisseminar untersuchen wir kulturelle Erzeugnisse, insbesondere Schatzkunstgegenstände und architekturgebundene Skulpturen, welche in intensivierten Kontaktzonen politisch, sozial und religiös divergierender Personengruppen entstanden sind oder auf diese verweisen. Hierbei wird nicht nur Jerusalem als das wesentliche Kreuzzugsziel im Fokus stehen, sondern etwa auch Konstantinopel als Ersatzziel oder Córdoba und weitere Zentren in al-Andalus im Kontext der sogenannten ‚Reconquista‘. Der zeitliche Schwerpunkt ist dabei auf das späte 11. bis 13. Jahrhunderts gelegt. In den Sitzungen gehen wir anhand der Untersuchungsgegenständen insbesondere solchen Spuren nach, welche Hinweise auf bewusste bzw. unbewusste Übernahmen oder Tilgungen vertrauter und fremder Formen, Motive, Materialien und Techniken geben. Mögliche Rückschlüsse der Befunde diskutieren wir vor den spezifischen historischen Hintergründen und in Ergänzung zu theoretischen Ansätzen um Transfer- und Akkulturationsprozesse. |
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Marek Dirks (Romanistik): Tristan und Isolde in der französischen Gegenwartsliteratur und im Kino
Do. 10.30-12.00 Uhr, 26.21.01.32.
Dieses Seminar bietet eine Einführung in den Mythos von Tristan und Isolde und dessen Rezeption in der französischen Gegenwartsliteratur (Comic) sowie in Medien (Filme). Zunächst werden wir Bérouls Tristan et Yseult (1170) in der neufranzösischen Ausgabe lesen, um den Grundstein für unser Seminar zu legen. Dabei werden die Studierenden ebenfalls mit der Literatur und Kultur des Mittelalters vertraut gemacht. Nach diesem historischen Einstieg werden wir uns mit der Methodik der Comicanalyse beschäftigen, um anschließend Mauprés Bande dessinée mit dem Titel Tristan et Yseult (2017) untersuchen zu können. Dabei werden wir untersuchen, inwiefern diese Adaptation diesen Mythos modifiziert und wie textuelle und graphische Elemente miteinander in Verbindung stehen. Nach der Comicanalyse werden wir die Filme Tristan & Isolde (2006), Tristan et Yseult (1972) sowie Tristan et Yseult (2002) untersuchen, indem wir sowohl die Darstellung der Liebesgeschichte, die kinematographischen Aspekte als auch kulturwissenschaftliche Raumtheorien auf diese anwenden. Zum Schluss des Seminars werden wir die Ergebnisse zusammenfassen und uns die Frage stellen, inwiefern der Mythos von Tristan und Isolde als Grundnarrativ bezeichnet werden kann, der in verschiedenen Medien transnational rezipiert wird und bestimmte Themen (Liebe, Ehe, Frieden, Krieg) dargestellt werden.
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Dr. Sebastian M. Ostmeyer (Germanistik): Zwischen Krieg und Frieden: Der 'Willehalm' Wolframs von Eschenbach
Do. 10.30-12.00 Uhr, 24.53.01.81.
Zu Recht gilt Wolfram von Eschenbach als einer der bedeutendsten Dichter des deutschen Mittelalters und wird gerne als ein Vertreter der ‚höfischen Klassik‘ apostrophiert. Neben dem Parzival, einem Artus- und Gralsroman, und dem fragmentarisch überlieferten Titurel hat er den Willehalm verfasst. Mit dem Willehalm-Roman vollzieht Wolfram die Abkehr von höfischen Stoffen und wendet sich einer Materie zu, die als historisch-legendarisch einzustufen ist. Der Held in diesem Werk ist der Markgraf Willehalm, einer der wichtigsten Verteidiger des karolingischen Frankenreichs gegen die im 9. Jahrhundert einfallenden muslimischen (hier als ‚Heiden‘ bezeichneten) Araber. Er ist mit Gyburc verheiratet, einer ursprünglich muslimischen Königstochter, die, nachdem Willehalm sie von den Arabern entführt hat, als bekehrte Christin zwischen den Fronten steht. Wolfram erzählt vom Krieg zwischen Christen und Heiden, den er auf mehreren Ebenen motiviert: Religiös steht der Konflikt im Kontext der zeitgenössisch aktuellen Kreuzzugsbewegung, politisch ist er als Reichskrieg und Verteidigung des Herrschaftsanspruches gerechtfertigt. Die Vorlage für den Willehalm ist das anonyme altfranzösische Heldenepos La Bataille d’Aliscans. Im Seminar soll auf der Basis eingehender Textlektüre zentraler Textpassagen die besondere Stellung von Wolframs Willehalm in seinem Werk herausgearbeitet und narratologische sowie weltanschauliche (z. B. nach dem Verhältnis der drei Weltreligionen, Kriegs- und Friedensdiskurse etc.) Fragen diskutiert werden.
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Univ.-Prof. Dr. Marion Aptroot (Jüdische Studien): Kriegserfahrungen: Darstellungen aus der jiddischen Literatur
Do. 12.30-14.00 Uhr, 23.03.01.41.
Krieg wird nicht nur an der Front geführt. Er beeinflusst das gesellschaftliche Leben, die Wirtschaft, das tägliche Leben von Männern, Frauen und Kinder – ihre Gegenwart und ihre Zukunft. In diesem Seminar lesen und analysieren wir literarische Texte, die sich mit (un)mittelbaren Kriegserfahrungen im Osteuropa des 19. und 20. Jahrhundert aus Perspektive der Machtlosen befassen. Diese können am Kriegsgeschehen selber beteiligt oder nicht-beteiligt gewesen sein, Opfer oder Täter:in.
Da die Blütezeit der modernen jiddischen im frühen 20. Jahrhundert verortet werden kann, lesen wir vor allem Texte, in denen der 1. Weltkrieg thematisiert wird oder als Hintergrund dient. In diesem Krieg kämpften Juden in den Armeen aller beteiligten Staaten. Die Tatsache, dass der Feind gleichzeitig auch ein Verwandter und der Waffenbruder ein ideologischer Antisemit sein könnte, fügt eine Dimension an die Kriegsthematik zu, die in den nationalstaatlichen Literaturen üblicherweise fehlt.
Auch wenn die Texte alle die Sicht der Machtlosen berücksichtigen, ist der Umgang der Autor:innen mit Kriegsthemen wie Verbrechen, Gewalt, Trauer, Schuld, Recht und Unrecht, Macht und Machtlosigkeit sehr unterschiedlich. Das äußerst sich im Ton – ein Spektrum von Humor bis Hass wird vertreten – wie auch in der Ästhetik.
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Lara Pasquini Perrott (Romanistik): Violence et désir dans le théâtre de Bernard-Marie Koltès
Mo. 10.30-12.00 Uhr, 23.32.04.22.
L´auteur dramatique français Bernard-Marie Koltès (1948-1989) est né dans une famille de la classe bourgeoise de Metz et il a mené une vie violente marquée par le désir de révolte.
Le séminaire a comme but d’analyser ses deux pièces théâtrales La nuit juste avant les forêts (1988) et Roberto Zucco (1900). La nuit juste avant les forêts est un quasi-monologue, où le protagoniste cherche vainement à s’adresser à un interlocuteur qui n’apparaît jamais. Cette quête d’une présence, d’un contact avec l'autre, se présente obsédante tout au long du texte, mais ce qui émerge c’est le besoin de raconter, malgré l’impossibilité de partager ses sensations. Roberto Zucco est sa dernière pièce qui s’inspire de faits réels tirés de la vie d’un jeune italien, Roberto Succo, qui a assassiné son père et sa mère ainsi que plusieurs autres personnes en France, dont deux policiers, entre 1987 et 1988. Koltès n’y cherche pas à faire une apologie du meurtrier par une reconstitution des crimes de Zucco, mais il aborde l’impasse dans la difficulté d’être et l’état de crise qui en résulte, en revisitant des motifs des tragédies grecques antiques tels que le drame familial, l'inceste, le parricide et la souillure.
Nous étudierons d’une part, les thématiques principales qui émergent dans ces deux öuvres comme la violence, le désir et la solitude absolue de l’être humain, son manque de communication, sa confrontation avec l’autre, l’inconnu, le marginal, l’étranger et la recherche de socialité et d’amour. D’autre part, nous soulignerons des techniques narratives et linguistiques telles que le temps zéro de la narration, l’absence de ponctuation forte, l’agrammaticalité de la prose et l’emploi de l’oralité.
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Dr. Sebastian Hansen (Geschichte): Frieden in Europa. Visionen und Verträge (1517-1815)
Do. 10.30-12.00 Uhr, 23.21.00.48.
Wie wenig selbstverständlich Frieden in Europa ist, zeigt der im Februar 2022 begonnene Krieg in der Ukraine. Das Seminar wendet sich einem Zeitraum zu, der sich angesichts zahlreicher Konflikte und Kriege durch eine sehr auffällige Friedlosigkeit auszeichnet. Anhand verschiedener Visionen und Verträge soll beleuchtet werden, welche Vorstellungen von Frieden in der Frühen Neuzeit existierten und wie einige bedeutende Versuche aussahen, ihn herzustellen und zu sichern. Der gewählte Betrachtungszeitraum orientiert sich an der „Klage des Friedens“, die Erasmus von Rotterdam 1517 vorlegte, und dem Wiener Kongress, der mit dem Ende der Ära Napoleons 1815 den Kontinent politisch neu ordnete.
In der konstituierenden Sitzung am Donnerstag, 13. Oktober 2022, werden die genauen Modalitäten für die Abschlussprüfung (Vertiefungsseminar) beziehungsweise für den Beteiligungsnachweis (Modul Kulturelle Grundlagen Europas) bekanntgegeben.
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Farina Marx (Jüdische Studien): Der Krieger David
Mo. 12.30-14.00 Uhr, 23.03.01.41.
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